Protest gegen die Volktrauertagsfeier 2009 

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Proteste gegen städtische Volkstrauertagsfeier auf dem Ehrenfriedhof 2009

Offener Brief an OB Würzner wegen des Vorgehens der Polizei
sowie seine Antwort

VVN/BdA                                                                                                              Heidelberg, 23.11.2009
c/o Eine Welt Zentrum
Am Karlstor 1
69117 Heidelberg



Herrn Oberbürgermeister
Eckart Würzner
Postfach 10 55 20
69045 Heidelberg

Nachrichtlich u.a. an: Jüdische Kultusgemeine Heidelberg; Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma; Verband Deutscher Sinti und Roma - Landesverband Baden- Württemberg;
Bunte Linke Heidelberg; GAL; Bündnis 90/ Die Grünen; SPD Heidelberg; FDP Heidelberg CDU Heidelberg


Offener Brief / Volkstrauertag am „Ehrenfriedhof“



Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Würzner,

am 15.11.2009 lud die Stadt Heidelberg zu einer Gedenkveranstaltung auf die von den Nationalsozialisten errichtete Propagandastätte, die in Heidelberg immer noch als „Ehrenfriedhof“ bezeichnet wird.
Wie sie wissen sorgt Form, Inhalt und Ort dieser alljährlichen Veranstaltung immer wieder aus gutem Grund für heftigen Widerspruch.

In diesem Jahr hatten etliche Menschen beschlossen, in angemessener Form einen Gegenpunkt zur militaristischen und revanchistischen Prägung des Heidelberger Volkstrauertages zu setzen. Sie führten Gedenktafeln mit sich, die an die Opfer der faschistischen Wehrmacht, der Nazijustiz und auch aktueller Kriegseinsätze der Bundeswehr erinnerten. Die Polizei war mit einem beträchtlichen Aufgebot samt Hundestaffel vor Ort präsent. Mit der Einsatzleitung war der Leiter des Polizeireviers Heidelberg-Mitte, Christian Zacherle betraut. Das „Hausrecht“ bei der Veranstaltung hatte, wie uns gesagt wurde, der Leiter des Bürgeramtes, Bernd Köster inne.

Herr Zacherle erklärte im Namen der Stadt Heidelberg – mithin in Ihrem Namen – die Gedenktafeln für unerwünscht und untersagte den TrägerInnen, an der städtischen Veranstaltung teilzunehmen. Die Tafeln würden – so Zacherle – dem Charakter der Gedenkfeier widersprechen. Als er, unsicher geworden, Herrn Köster hinzuzog, bestätigte dieser die Entscheidung. Für unerwünscht erklärt wurden unter anderen folgende Inschriften:

„Wir gedenken der unzähligen ZivilistInnen, die von der Nazi-Wehrmacht ermordet wurden.“

„In dankbarer Erinnerung an Käthe Seitz, die für ihren Widerstand gegen den faschistischen Krieg ermordet wurde.“

„Wir gedenken der Jüdinnen und Juden, die im nationalsozialistischen Vernichtungskrieg durch Wehrmacht und SS ermordet wurden.“

„In dankbarer Erinnerung an die Deserteure und SaboteurInnen, die von der nationalsozialistischen Justiz ermordet wurden.“

„Wir erinnern an die hunderttausenden Opfer von US-Army, Bundeswehr und NATO in Jugoslawien, Afghanistan und im Irak.“

Menschen, die mit solchen Schildern zur Gedenkveranstaltung wollten, wurden mit Hunden und Pfefferspray bedroht, geschlagen und zum Teil sogar zu Boden geworfen, ohne dass es von ihrer Seite zu irgendeiner Art von Gewalttätigkeit gekommen wäre.

Wir möchten Sie dringend bitten, zu folgenden Fragen öffentlich Stellung zu nehmen:

Haben die Herren Köster und Zacherle in Ihrem Namen gesprochen und findet das Vorgehen der Polizei Ihre Billigung?
Falls ja, wie rechtfertigen Sie die Entscheidung, ausgerechnet das Gedenken an die Opfer der deutschen Armeen von der Feierlichkeit auszuschließen, während gleichzeitig mit militärischem Zeremoniell an gefallene Wehrmachtssoldaten erinnert wird und eine große Zahl von Offizieren kriegführender Armeen in Uniform teilnehmen können?
Falls nein, welche Maßnahmen gedenken Sie als Konsequenz zu treffen? Sind Sie bereit, in der Öffentlichkeit zu erklären, wie es zu den geschilderten Vorfällen kommen konnte?
Sowohl Sie in Ihrer Erklärung zum diesjährigen Volkstrauertag als auch Bürgermeister Stadel in seiner Rede widmeten das diesjährige Gedenken besonders den Bundeswehrsoldaten, die bei den bisherigen Auslandseinsätzen fielen, ohne die zivilen Opfer in den betroffenen Länder auch nur mit einer Silbe zu würdigen. Erinnert dies nicht auch Sie an das unselige Heldengedenken früherer Zeiten?

Wir empfinden das Vorgehen der Polizei als einen Schlag ins Gesicht für die Opfer des Nationalsozialismus und für alle Menschen, die militärischer Gewalt – insbesondere verübt durch deutsche Soldaten – zum Opfer gefallen sind. Wir sind der Meinung, dass die Vorgänge am Volkstrauertag einer unmissverständlichen öffentlichen Klarstellung seitens der Stadtverwaltung bedürfen. Die Begehung des Volkstrauertages auf dem „Ehrenfriedhof“ ist eine Veranstaltung, die in der Öffentlichkeit als repräsentative Außendarstellung der Stadt Heidelberg wahrgenommen wird. Es wäre unserer Ansicht nach unerträglich, wenn in der Öffentlichkeit unwidersprochen stehen bleiben würde, dass das Gedenken an die Opfer des Faschismus und deutscher Kriegseinsätze in Heidelberg unerwünscht ist und gewaltsam zum Schweigen gebracht wird. Aus diesem Grunde bitten wir Sie dringend um eine möglichst baldige öffentliche Klarstellung.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Dieter Fehrentz

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten (VVN/BdA)

 

 

Michael Csaszkóczy

Antifaschistische Initiative Heidelberg(AIHD)

 

 

Joachim Guilliard

Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg

 

 


Antwort OB Würzners