junge Welt vom 14.12.2001
 
Ausland

Schuldig sind Scharon und Bush

Wortmeldung eines Shoa-Überlebenden

Fritz Teppich
 
Mitmenschen! Deutsche! Ich, ein greiser Shoa-Überlebender, bitte Euch eindringlich über Ursachen und Zusammenhänge der Eskalation des israelisch-palästinensischen Konfliktes gründlich nachzudenken. Mittels gefälschter Schuldzuweisungen zu Lasten der Palästinenser soll eine möglichst breite hiesige Öffentlichkeit reaktionär aufgepeitscht werden. Einem wichtigen Stützpunkt für weit gen Fernost reichende USA-Herrschaftspläne soll Rückendeckung verschafft werden. Langfristig als Endziel im Visier sind Rußland und das wirtschaftlich rasch erstarkende China. Erst mit Unterordnung oder Niederkämpfen dieser beiden Atommächte kann Washington absolute Weltherrschaft ausüben.

Es geht nur scheinbar um »Rassenkriege« zwischen verschiedenen Völkerschaften oder gegen Terroristen – in Wirklichkeit geht es um Klassenkrieg von weltumfassendem Ausmaß. Was Juden und Araber betrifft: Beide sind semitischer Herkunft. Sie haben sich Jahrhunderte nahegestanden. Erinnert sei an gemeinsame Glanzzeiten, so im mittelalterlichen Spanien. Der Graben verläuft im Kern zwischen Interessen Oberer und Unterer. Mit Blick auf Öl- und Weltmachteroberungen heizt Washington den innersemitischen Konflikt an. Es gilt das altimperiale »Teile und Herrsche«. Um Hauptziele zu erreichen, wird seitens der USA und ihres Anhangs vor keiner Entstellung der Gegebenheiten, Verdrehung, Unwahrheit zurückgeschreckt. Ausführende Drahtzieher sind auf Obrigkeitsseiten an vordersten Stellen der blutbefleckte Kriegsverbrecher Scharon, gestützt von dem über dreiste Wahlinterpretationen zum USA-Präsidenten aufgestiegene Ölmanager Bush junior.

Tag für Tag wird deutlich, wie die vornehmlich von den USA sowie der BRD hochgerüstete israelische Armee gegen steinewerfende oder primitiv ausgerüstete palästinensische Zivilisten vorgeht. Tel Aviv setzt Panzer, Flugzeuge, Raketen unerbittlich gegen bewohnte Ortschaften ein. Jenseits der israelischen Grenzen werden Wohnhäuser reihenweise von Armeebaggern fortgeräumt.

Wer angesichts solch unleugbarer Tatsachen die Stirn hat zu behaupten, den israelischen Tätern stünde das Recht zu, ihre palästinensischen Opfer wie Freiwild zu jagen und zu schinden, kann nur als extrem gewissenlos betrachtet werden. Zu jenen gehört Präsident Bush. Soeben hat er die Bombardierung von palästinensischen Wohngebieten für zulässig erklärt, angeblich »nur« als Rache für Selbstmordattentate. Washington ist nach kurzem, beschwichtigendem Zögern in Nahost auf Scharons Extremlinie umgeschwenkt. Das ist aus dessen neu betonter Unerbittlichkeit zu ersehen. Das heißt, das hoch effiziente Militärsprungbrett Israel wird in die USA-Vormarschstrategie ab sofort aktiv einbezogen, die Konflikteskalation erschreckend beschleunigt.

In diesem Zusammenhang kommt es mehr denn je darauf an, der parallelen Haßkampagne der Mächtigen gegen die Palästinenser entgegenzutreten. Frieden zwischen Israelis und Palästinensern unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen müßte von progressiven Seiten jetzt besonders befördert werden.

* Der Autor ist Mitglied im Arbeitskreis Nahost Berlin

 

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Ausdruck erstellt am 15.12.2001 um 01:41:46 Uhr

 
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