Quelle: "Die Nakba - Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948" (PDF), zusammengestellt vom "Flüchtlingskinder im Libanon e.V."


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Quellen

"Die Nakba - Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948" (PDF), Ausstellung zusammengestellt vom Flüchtlingskinder im Libanon e.V.

Paula Abrams-Hourani
Rede am 10.Mai 2009 bei der Gaza Beach Protestaktion

PalestineRemembered.com 
eine Dokumentation aller zerstörten und entvölkerten palästinensischer Städte und Dörfer

Wikipedia (engl.)
Liste der arabischen Städte und Dörfer die 1948 entvölkert wurden

Sami Abu Shehadeh & Fadi Shbaytah, Electronic Intifada, 27.2.2009.
Jaffa: from eminence to ethnic cleansing,

Viktoria Waltz:
Vortrag in der Reihe: "ISRAEL - Mythos und Wirklichkeit"
60 Jahre Planung im neuen Jüdischen Staat Israel
= 60 Jahre Enteignung und Ausgrenzung der autochthonen palästinensischen Bevölkerung

ORF1, 18.07.2009
Das Stadtviertel Jaffa
Der arabische Teil von Tel Aviv

Gideon Levi, Haaretz, 6.8.2009
Von Sheikh Jarrah nach Sheikh Munis- Fragen beim Schwimmen

Homepage der Organisation
Zochrot (Sich Erinnern)

Film

Jaffa, The Orange’s Clockwork
Israel/Frankreich/ Belgien/ Deutschland, 2009
English, Hebräisch, Arabisch, Französisch mit dt. Untertiteln, 88 Min (digital/Video)

Der Dokumentarfilm illustriert die Geschichte des Israelisch-Palästinensischen Konflikts anhand des Symbols der Jaffa-Orange indem er zeigt, wie aus einem erfolgreichen palästinensischen Exportprodukt ein israelisches Markenzeichen wurde.



 

„100 Jahre Tel Aviv“
– eine Geschichte der Zerstörung und Vertreibung


In der Entstehung Tel Avivs, wie auch den Jubiläumsfeiern zu den recht willkürlich angesetzten „100 Jahren“ seines Bestehens, spiegeln sich Geschichte wie Mythos der Entstehung des gesamten Staates.

Folgt man den typischen Bildern der Gründung Tel Avivs, so scheint die Stadt auf leeren Dünen erbaut zu sein. Tatsächlich ging sie aus der jahrtausende alten arabischen Metropole Jaffa hervor. Sie wuchs auf dem Boden seiner Stadtteile sowie von Dörfern, die 1948 zerstört und deren Bewohner ermordet und vertrieben wurden. Die 100-jährige Geschichte Tel Avivs ist somit gleichzeitig die Geschichte des Untergangs des alten arabischen Jaffas, das 1948 nahezu völlig entvölkert wurde. Sinniger Weise wurde der „Unabhängigkeitspark“ Tel Avivs auf einem muslimischen Friedhof errichtet.

In der offiziellen Stadtgeschichte kommt dies alles nicht vor, kaum etwas erinnert an die ursprüngliche palästinensischen Stadtviertel und Dörfer. In Tel Aviv sind es nur kleine Gruppen, wie „Zochrot“ (Sich Erinnern), die sich bemühen, die wirkliche Geschichte der israelischen Hauptstadt in Erinnerung zu rufen. Ihre alternative Tour zum Jubiläum führte zu den Orten wo einst folgende Orte lagen:

Das Dorf Scheich Munis (al-Shaykh Muwannis): 1944 gab es dort 273 Häuser und 1.930 Einwohner. Im März 1948 wurde dieses Dort von jüdischen terroristischen Milizen der sogenannten „Stern Gang“ eingenommen, deren Führer der spätere israelische Premierminister Jitchak Shamir war. Die Einwohner wurden vertrieben und das Dorf von jüdischen Einwanderern besetzt. Heute steht auf diesem Grund die Universität von Tel Aviv und das elegante Wohnviertel Ramat Aviv.
Der Fakultäts-Club der Universität, „das Grüne Haus“, war vor 1948 das Haus des Bürgermeisters. Dies wird von der Universität an keiner Stelle erwähnt. Nach Ilan Pappe ist „das Grüne Haus“ der Inbegriff der Verdrängung des zionistischen Generalplans für die ethnische Säuberung Palästinas, der in Tel Aviv im Roten Haus in der Yarkon Strasse fertiggestellt wurde.

Das Dorf Al-Mas'udiyya (ehemals Samayl): Es bestand aus 187 Häuser hatte 850 Einwohner, Plantagen, Viehzucht, Handwerk. Das Dorf wurde im März 1948 von der Haganah, der Vorläuferin der israelischen Armee, geräumt, die Bewohner vertrieben. Heute steht auf diesem Grund das Arlosoroff/Ibn Gvirol Viertel.

Das Dorf Jammasin al-Gharbi war bereits 1596 in osmanischen Grundbüchern registriert. Im 18. Jahrhundert gründeten Beduinen aus dem Jordantal das Dorf neu. Es gab hier Plantagen und Büffelzucht. Im Januar 1948 wurden die Einwohner von der Haganah vertrieben. Heute erstreckt sich hier das Bavli Viertel im Nordosten Tel Avivs.

Das Dorf Salama wird schon im 16. Jahrhundert erwähnt. Im Jahr 1944 lebten hier 6.670 Einwohner. Aufgrund des Widerstandes wurde Salama 1948 bombardiert, die Bewohner vertrieben, die übrig gebliebenen Häuser von jüdischen Familien besetzt. Übrig blieben nur einige Ruinen, auf seinem Grund liegt heute der Stadtteil Kfar Shalem.

Al Manshiya war Anfang des 19. Jahrhundert ein ethnisch und religiös gemischtes Viertel Jaffas. Dort befand sich das erste jüdische Spital. 1948 wurde der Stadtteil von der rechtsradikalen Miliz „Irgun“ unter Führung des späteren Premierminister Menachem Begin zerstört. Die palästinensisch-arabischen Einwohner wurden vertrieben.
Erhalten ist noch die Baalbek Moschee, in der sich heute das Dolphinarium, Hotels, Büros und das Museum der „Irgun“, d.h. der Zerstörer des Viertels befinden.

Das Dorf Mantekat Al-Sayadin war ein Fischerdorf an der Mündung des Jarkon Flusses, im Norden Tel Avivs. Es wurde 1948 zerstört und die Bewohner vertrieben. Heute steht dort ein Kraftwerk. In der Nähe, nördlich des Hafens von Tel Aviv, lebte der Beduinenstamm Abu Jabne, der ebenfalls vertrieben worden ist.


Glockenturm von Jaffa um 1914
(Matson Collection)

Die Stadt Jaffa war die hatte nach einem Bericht der britischen Mandatsverwaltung an die UNO 1945 ca. 100.000 Einwohner, 70.000 davon waren muslimische und christliche Araber, d.h. Palästinenser, 30.000 Juden. Während Tel Aviv im UN-Teilungsplan dem jüdischen Staat zugeschlagen wurde, sollte Jaffa zum arabischen Staat gehören.
Am 14. Mai 1948 wurde Jaffa von den israelischen Milizen der Hagana und des Irgun eingenommen, über 65.000 Palästinenser flohen oder wurden vertrieben. Die knapp 5.000 Bewohner, die blieben, mussten in den Stadtteil al-Ajami ziehen, der vollständig eingezäunt und vom Rest der Stadt abgetrennt wurde.

Die zionistischen Eroberer begannen bald den größten Teil der arabischen Viertel Jaffas zu zerstören. Neben dem zum Ghetto gemachten al-'Ajami überlebten nur die Altstadt und ein kleiner Teil von Al Manshiya die Verwüstung. Der einst bedeutende Hafen Jaffas wurde geschlossen.1954 wurden die Reste Jaffas Tel Aviv angegliedert, viele Straßen und Plätze wurden nach zionistischen Persönlichkeiten und Organisationen umbenannt. Jaffas zentraler Platz beim Glockenturm heißt heute Haganah-Platz.

Heute leben ca. 20.000 Palästinenser in Jaffa, immer noch überwiegend in al-Ajami. Die Altstadt von Jaffa mit ihren engen, verwinkelten Gassen ist eine Künstlerkolonie mit Galerien und Restaurants, fast ausschließlich bewohnt von jüdischen Israelis.
Die Eroberung Jaffas und die damit einhergehende Flucht und Vertreibung der arabischen Bevölkerung wird heute in einem Museum gefeiert, das auf den Ruinen eines arabischen Hauses errichtet wurde und "Museum für die Befreiung Jaffas" heißt.

Rund 80 Prozent der Bewohner Gazas sind Flüchtlinge, die 1948 aus Jaffa gekommen sind. Ihnen wird, wie allen palästinensischen Flüchtlingen, bis heute die Rückkehr verwehrt. Israel und seine Verteidiger behaupten, die Palästinenser wären nicht vertrieben worden, sondern von sich aus geflohen. Doch selbst wenn dies wahr wäre, mit der Verweigerung der Rückkehr, wurde es so oder so zur Vertreibung.


Blick vom Meer auf auf Jaffa, 1898-1914. (Matson Collection)

Der Untergang der Orangen-Stadt

Jaffa war die größte und bedeutendste Stadt des historischen Palästina. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts wurden von hier Zitrusfrüchte in alle Welt exportiert, vor allem Orangen, "Jaffa-Orangen". Mit der wachsenden Nachfrage blühte auch Jaffa zur Metropole auf.

In den 1930er Jahren wurden zig Millionen Kisten mit Zitrusfrüchten exportiert. Parallel war eine breit gefächerte Industrie entstanden, die von Nahrungsmittelfabriken bis zu glas- und metallverarbeitenden Betrieben reichte. Die dritte bedeutende Einnahmequelle Jaffas vor 1947 war der Tourismus. Alljährlich zog die schöne Stadt mit ihren zahlreichen historischen Stätten zehntausende Reisende aus Europa und den USA an.

Jaffa war damals auch die kulturelle Hauptstadt Palästinas, in der die meisten Zeitungen gedruckt wurde.

All dies wurde ab 1948 zerstört. Mit der Judaisierung des Rests wird bis heute versucht auch die Geschichte der Stadt auszulöschen. Sie stünde dem Gründungsmythos Israels vom Aufbau des Staates praktisch aus dem Nichts diametral entgegen. Letztlich war es ein gewaltiger, bewaffneter Raubüberfall.

Die Obst-Plantagen wurden von jüdischen Siedlern übernommen. Ihr Export war zu Beginn die Haupteinnahmequelle des neuen jüdischen Staates. Die einstigen Besitzer, so sie nicht vertrieben wurden, waren nun gezwungen auf ihren eigenen Plantagen als Tagelöhner für Hungerlöhne zu schuften. Die Jaffa-Orangen füllen immer noch die Regale westlicher Supermärkte, seit über 60 Jahre jedoch als Hehlerware.

Und die Zerstörungen, der Verfall und Vertreibungen gehen weiter.

Die palästinensischen Viertel wurden systematisch vernachlässigt. Palästinenser erhalten für Renovierungen, Aus- oder Neubau keine Genehmigungen, daher zerfallen die Gebäude zunehmend.

Über 500 Familien sind erneut von Vertreibungen bedroht. Ihre Häuser sollen abgerissen werden, weil sie angeblich illegal errichtet wurden. Andere sie müssen ausziehen, weil ihre Wohnungen angeblich Eigentum des Staates wurden. Bei ihnen handelt es sich um Familien, die 1948 aus ihren Dörfern flüchten mussten und sich in den Häusern einquartierten, deren Bewohner aus dem Land getrieben wurden. Die Häuser von geflohenen Arabern wurden im gesamten Staat beschlagnahmt. In Jaffa ließ er die Flüchtlinge bisher dort wohnen - jedoch nur so lange, bis die Grundstückspreise stiegen und eine profitablere Verwertung möglich wurde.

Diese Vertreibungen gehen daher einher mit einer fortschreitenden Gentryfizierung der palästinensischen Viertel. Obwohl völlig runtergekommen sind sie als strandnahes Bauland sehr begehrt. Wohlhabendere Tel-Aviver, die den Blick aufs Meer und die Nähe zum Strand suchen, kaufen sich ein, die alteingesessene Bevölkerung muss gehen. (siehe Das Stadtviertel Jaffa, der arabische Teil von Tel Aviv, ORF1, 18.07.2009)

Für eine ausführliche Schilderung des Untergangs von Jaffa siehe Sami Abu Shehadeh & Fadi Shbaytah, Jaffa: from eminence to ethnic cleansing, The Electronic Intifada, 27.2.2009.


Zochrot  - Homepage engl.

Zochrot (Hebräisch: "Wir erinnern uns") ist eine israelische Organisation, die 2002 von Eitan Bronstein gegründet wurde. Ihr Ziel ist es, die in Israel ignorierte, geleugnete Nakba, d.h. Vertreibung und Flucht der Palästinenser in den Jahren 1948/49 als zentrales geschichtliche Ereignis in Erinnerung zu rufen. Eine gerechte Lösung für den Konflikt muss nach Ansicht von Zochrot gegründet sein auf der Anerkennung des damaligen Unrechts und auf der Einhaltung der Gleichheit für alle Menschen der Region, einschließlich des Rechts der Flüchtlinge heimzukehren in einen Staat, der allen Bürgern gehört unanhängig von Religion und ethnischer Herkunft. Zochrot organisiert Touren zu palästinensischen Orten, die 1948 zerstört wurden, sammelt die Zeugenaussagen von Überlebenden arbeitet mit regionalen Lehrergruppen zusammen, und beherbergt im Learning Center Tel Aviv beherbergt Archivmaterialien über die Nakba.

...
Eine Stadt, die aus dem Sand erstanden ist, ein leeres Feld sei der Ort gewesen, auf dem Tel Aviv errichtet wurde - so lautet der gängige Mythos. Doch wie so viele Mythen ist auch dieser nicht ganz richtig, denn dort, wo heute Tel Aviv steht, lagen früher mehrere Dörfer, deren arabische Einwohner 1948 vertrieben wurden, sagt Eitan Bronstein von der Organisation "Zochrot". "Zochrot" heißt Erinnern, und die hauptsächlich von jüdischen Israelis getragene Organisation will das Andenken an die arabische Vergangenheit des Landes aufrechterhalten.

Zochrot organisiert Touren zu früheren palästinensischen Orten, verteilt Stadtpläne von Tel Aviv mit Hinweisen auf frühere arabische Besiedlungsstrukturen oder macht auf die Vergangenheit von Jaffa aufmerksam, indem die Aktivisten die Straßenschilder mit den alten, arabischen Namen überkleben.

"Diese Schilder werden dann immer in ganzer kurzer Zeit wieder entfernt, und ich glaube, das liegt daran, dass wir damit einen zentralen Nerv Israel treffen", meint Eitan Bronstein. "Wir zeigen damit, dass hier Leben war, eine große Zivilisation, und zwar genau da, wo wir heute leben, manchmal sogar in denselben Häusern. (...) Das ist für viele Israelis eine sehr herausfordernde Aktion, sie wollen das nicht sehen und können damit nicht konstruktiv umgehen."

Außenseiter Zochrot

Das Logo von Zochrot ist ein Schlüsselloch. Das ist eine Anspielung auf das palästinensische Symbol der Nakba (Katastrophe) genannten Vertreibung von 1948. Die Schlüssel erinnern an die verlassenen Häuser, und Zochrot will das Schlüsselloch sein, denn die Organisation setzt sich für das volle Rückkehrrecht der Araber ein.
(aus Das Stadtviertel Jaffa, ORF1, 18.07.2009)

Mehr zu Zochrot siehe "Ohne Erinnerung keine Zukunft - Die jüdisch-israelische Initiative Zochrot und ihre ungewöhnliche Gegengeschichtsarbeit". medico international, 7.12.2009