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Zu "Instrumentalisiert"? – Leserbrief zur Nahost-Demonstration am 5.8.2006 in Heidelberg

In einem gemeinsamen Brief an die RNZ haben sechs Teilnehmer der Auftaktkundgebung der Demonstration für eine Waffenruhe im Nahen Osten am vergangenen Samstag begründet, warum sie sich der eigentlichen Demonstration nicht anschließen wollten. Grund sei ihre „Instrumentalisierung“ durch eine Minderheit radikaler, arabischer Teilnehmer/innen gewesen.
Diese Haltung ist bedauerlich und fußt offenbar auf einigen Irrtümern.

Selbstverständlich war es eine eindeutige Demonstration gegen den Krieg gewesen. Konsens war die Forderung nach einer unverzüglichen Waffenruhe, dies wurde auch von den radikaleren Teilnehmern nicht in Frage gestellt.
Genauso selbstverständlich richtete sich diese Forderung in erster Linie an die politische und militärische Führung Israels. Schließlich nahm sie einen geringfügigen Anlass, wie es die Gefangennahme zweier Soldaten einer Grenzpatrouille ist, zum Vorwand für einen umfassenden, offensichtlich lange geplanten Krieg und lässt seither das Nachbarland systematisch zusammenbomben.

Ein neutraler Ruf nach „Frieden“ kann in einer Situation, wo der Aggressor seinen Krieg mit Rückendeckung unserer Regierung führt, nicht genügen. Die Hisbollah hat mehrfach eine Waffenruhe angeboten und sich bereit erklärt, die Vorschläge der libanesischen Regierung für einen Waffenstillstand mitzutragen. Der israelische Premierminister hat diese Vorschläge brüsk zurückgewiesen und sie als Zeichen dafür erklärt, wie geschwächt die Organisation sei. Für mich besteht daher kein Zweifel, auf welcher Seite die größten Fanatiker zu finden sind.

Wie stets auf Demonstrationen gab es eine große Bandbreite von Forderungen, Anklagen und Parolen. Und wie immer waren auch welche dabei, denen ich nicht zustimme, weil sie z.B. wie der Vergleich zwischen Olmert und Hitler völlig überzogen sind,. Aber Meinungsfreiheit gilt auch auf Demonstrationen, mit Ausnahme natürlich rechtsradikaler, rassistischer oder volksverhetzender Parolen.
Die Warnung, dass wir die Veranstaltung auch abbrechen können, war daher nicht gegen die Inhalte von Plakaten und Parolen gerichtet, sondern unterstrich die Forderung an alle, sich trotz großer Emotionen auch nichtgenehme Äußerungen in Ruhe anzuhören.

Da Libanesen und Palästinenser den Hauptteil der Teilnehmer stellten, bestimmten sie, mit ihrem verständlichen Zorn, natürlich auch stark das Bild. Angesichts der Popularität Hisbollahs im Libanon, ist es kaum verwunderlich, dass auch deren Fahnen präsent waren. Nach Umfragen wird sie mittlerweile von über 80% der Bevölkerung, auch der christlichen, unterstützt. Unabhängig davon, was von ihrer ideologischen Orientierung zu halten ist: Für die Mehrheit der Libanesen steht Hisbollah nicht, wie die Schreiber/innen argwöhnen, für Hass und Rache, sondern für den bisher einzigen effektiven Widerstand gegen jahrzehntelange Angriffe, Interventionen und Landnahme Israels.

Natürlich gab es hier starke Widersprüche zu anderen Demonstrationsteilnehmern. Die Friedensbewegung verurteilt selbstverständlich auch die Angriffe der Hisbollah auf zivile Ziele in Israel. Es spielt dabei auch keine Rolle, dass sie erst mit den Luftangriffen Israels begannen und durch Einstellung der israelischen Kampfhandlungen einfach zu beenden wären.

Hier ist in der Tat eine offene Diskussion nötig, die wir in den nächsten Tagen auch mit möglichst vielen Beteiligten führen wollen, mit dem Ziel hierfür tragbare Kompromisse für zukünftige Aktionen zu finden.
Statt von „Instrumentalisierung“ zu reden, sollten die Kritiker/innen mithelfen, mehr Menschen zum Protest zu bewegen, die sich klar für eine nichtmilitärische, gerechte Lösung der Konflikte einsetzen, die Ursache der anhaltenden Gewalt im Nahen Osten sind.

Mit freundlichen Grüßen,
Joachim Guilliard
Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg