RNZ, 22.04.2003

Demonstranten stoppten "Kameradschaft"

Die Nazis durften marschieren - Doch 1000 Demonstranten hinderten die "Karlsruher Kameradschaft daran - Polizei verhinderte Eierwurf

Wie im Herbst 2001 verhinderten am Samstag etwa 1000 Demonstranten einen Marsch der rechtgerichteten "Karlsruher Kameradschaft" durch Heidelberg. Die Polizei stellte sich mit großem Aufgebot zwischen beide Gruppen am Willy-Brandt-Platz. Foto: Kresin

Von Alexander R. Wenisch

Die Rechten durften marschieren. Oder hätten marschieren dürfen. Um 12.41 Uhr kam das Fax des Verwaltungsgerichts Karlsruhe, das einen Teil jener Auflagen aufhob, mit dem die Stadt die angekündigte Demonstration der "Karlsruher Kameradschaft" einschränken wollte. Da sich zu diesem Zeitpunkt aber bereits etwa 1000 Gegendemonstranten am Willy-Brandt-Platz dem kameradschaftlichen Aufmarsch entgegengestellt hatten, entschied der Einsatzleiter der Polizei, Bernd Fuchs, die etwa 100 Rechten aus Sicherheitsgründen nicht marschieren zu lassen.

"Es ist lächerlich, dass wir wegen dieser paar Autonomen nicht marschieren dürfen", äußerte sich Christian Worch, einer der Redner der Kameraden, verärgert. Doch Einsatzleiter Fuchs hielt - sichtlich angespannt - entgegen: "Ich glaube kaum, dass ein Herr Worch die Sicherheitslage in der Stadt ausreichend beurteilen kann." Eigentlich wollte die "Karlsruher Kameradschaft" durch die Heidelberger Innenstadt ziehen, was aber vom Ordnungsamt schon früh abgelehnt wurde (wir berichteten). Kurz vor 13 Uhr trafen schließlich am Samstag die ersten 25 rechten Kameraden mit dem Zug am Bahnhof ein. Von der Polizei zum Ort ihrer Kundgebung geleitet, standen sie dort bis etwa 16 Uhr, mit lediglich zwei Transparenten ausgerüstet.

Die rechte Kundgebung hatte wenig an Außenwirkung. Umstellt von Polizisten, benutzten die Kameraden ein antiquiertes Megafon, um ihre Parolen unters Volk zu bringen. Und dies, obgleich sie laut Ordnungsamtsleiter Rene Pöltl eine Lautsprecheranlage hätten verwenden dürfen. Die Gegendemonstranten wiederum waren mit derlei technischen Verstärkern ausgestattet und beschallten den Platz provokativ mit türkischer Musik und schwarzem Rap. Die Parolen der beiden einzigen Redner, Horst Mahler und Christian Worch (siehe Artikel unten), erreichten so lediglich die Reihen Gleichgesinnter - und waren zeitweise selbst aus unmittelbarer Nähe kaum zu verstehen.

Markig warf Worch der Stadtverwaltung Rechtsbruch vor, weil diese die zeitgleiche Gegendemonstration zugelassen und so "unseren Umzug verhindert" hatte. Dem Verantwortlichen - also Ordnungsamtsleiter Pöltl - drohte der Notariatsgehilfe mit "rechtlichen Konsequenzen". Pöltl zuckte dabei nur mit den Schultern: Er befinde sich mit seiner Entscheidung auf sicherem Terrain.

Provozieren wollte Worch auch die Gegendemonstranten - die seine Parolen aber nicht hören konnten. "Gefüttert mit Staatsknete stehen sie auf der anderen Seite und halten sich für Revoluzzer." In Worchs Augen gehöre die Linke heute längst zum Establishment; die wahre Opposition sei die Rechte. Dass die Kameraden nicht marschieren durften, ist in seinen Augen Beweis dafür, wie sehr die Machtelite in Deutschland mit den USA verbunden sei. Er sieht darin ein Zeichen, dass die USA ihre Weltordnung errichten wollen. In Worchs Worten klang dies stark nach großer Weltverschwörung: "Die USA wollen die Welt nach ihrem ‚american way of life' umkrempeln", fürchtet der Nazi und schürt genüsslich einen Anti-Amerikanismus, den die Gegendemonstranten bewusst ablehnen.

Beide Demonstrationen waren angetreten, gegen den Irak-Krieg zu protestieren. In den Reden der Rechten wurde deutlich, wo sie sich von den linken Demonstranten unterscheiden. Während die Linken eine multikulturelle Gesellschaft begrüßen, lehnen die Rechten diese ab - und damit auch Amerika als Sinnbild dieses Lebensentwurfs. Ihr deutlich anti-amerikanisches Motto: "Amis raus, Frieden rein." Michael Dandl von der Antifaschistischen Initiative Heidelberg analysiert: Der Irak-Krieg werde von den Rechten nicht wegen seines menschenverachtenden, völkerrechtswidrigen Charakters abgelehnt. Viel mehr störe die Nazis, dass die USA einen souveränen Staat angegriffen haben und diesem den eigenen multiethnischen Charakter aufzwingen wollen. Jedes Volk habe in den Augen der Nazis das Recht auf eine eigene Identität. Die Linken klagen an: "Die Nazis wollen hier nur wieder ihr eigenes völkisches Süppchen kochen."

Der ehemalige Linke und nach rechts konvertierte Horst Mahler hält dagegen: "Die Linken lassen sich jetzt einreden, dass die, die noch von Herzen deutsch sein wollen, ihre Feinde sind." Nach Ansicht des Ex-Anwalts Mahler ist das Grundgesetz der Bundesrepublik keine rechtmäßige Verfassung, weshalb er für "die "Widerherstellung des Deutschen Reiches als Kern für Europa" plädiert.

Während seiner Rede wurde Mahler von einem Mann attackiert. Dieser hatte sich - anscheinend mit einem gefälschten Journalistenausweis - wie alle Reporter zwischen den Absperrgittern, zwischen den linken und rechten Demonstranten frei bewegen können. Kurz nachdem Mahler zu sprechen begonnen hatte, versuchte der Mann ihm ein rohes Hühnerei ins Gesicht zu drücken.