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Tour-Info

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Einleitender Beitrag

 


Irakischen Gewerkschafter wurde die Einreise verweigert
– Veranstaltungstour wird dennoch fortgesetzt

Heidelberg, 1.11.2005

Ausführliche Infos über die Visaverweigerung, 
die juristischen Schritte und Protestaktionen siehe 
auf der
Sonderseite bei LaborNet für die Tour

Die ersten geplanten Veranstaltungen der Rundreise der irakischen Gewerkschafter mussten leider ohne die eingeladenen Referenten, Frau Boshrah A. Abbood und Herr Taha A. Ibraheem Breshdi stattfinden. Überraschend wurde ihnen von der deutschen Botschaft in Bagdad kurzfristig und ohne Angabe von Gründen die Einreisevisa verweigert. 

Wie in anderen Städten, so wird sie auch in Heidelberg auf jeden Fall stattfinden:
am 4.11., 19.30 Vokshochschule
Ersatzweise mit Dr. Sabah Alnasseri, Exiliraker und Politiloge aus Frankfurt.

Mehrere Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, insbesondere Ulla Jelpke u. Norman Paech , sowie Christian Ströbele von den Grünen haben sich ind er letzten Woche intensiv um eine Einreisegenehmigung bemüht. Parallel dazu haben wir auch juristische Schritte eingeleitet. Außerdem sind eine große Zahl von Protestbriefen bei der Botschaft und dem Auswärtigen Amt eingetroffen (siehe z.B. das Protestschreiben der GEW Kreis Rhein-Nekar/Heidelberg vom 25.10.2005).
Wie einem Schreiben der Botschaft zu entnehmen ist, blieben sie nicht ohne Wirkung. Das AA ist nach Auskunft von Ströbeles Mitarbeiter mittlerweile mit dem Vorgang befasst und versucht eine (positive) Klärung herbeizuführen. Die Hoffnung, dass der Weg für die beiden bald freigemacht würde, hat sich aber leider nicht erfüllt, obwohl das AA auch der  Frankfurter Rundschau gegenüber verlauten ließ, es könne bis zur Veranstaltung in Frankfurt, 3.11. noch klappen. Langsam läuft hierfür die Zeit aber ab.

Hintergründe

Klarer geworden sind die Gründe für die Weigerung. Das Auswärtige Amt hatte nie was gegen die Einreise, Einspruch kam von den Sicherheitsbehörden, die Bedenken anmeldeten. Aus Datenschutzgründen könne man diese aber nicht weitergeben. Unser Anwalt hat deswegen den Bundesdatenschutzbeauftragten eingeschaltet. Die Abgeordneten versuchen über den Sicherheitsausschuß etwas zu erreichen. (Ausführliche Infos darüber auf der Sonderseite bei LaborNet)

Offensichtlich soll es aber als Begründung schon ausreichen, einer Organisation anzugehören, die sich aktiv für ein Ende der Besatzung engagiert, um in Deutschland als Sicherheitsrisiko abgewiesen zu werden. Wie so oft erweisen sich deutsche Behörden päpstlicher als der Papst. Der Vorsitzende der Gewerkschaft konnte im Frühjahr problemlos an einer Rundreise irakischer Gewerkschafter durch die USA und an mehreren Veranstaltungen in London teilnehmen.

Zur Erinnerung: Die beiden eingeladenen Gewerkschafter, Frau Abbood und Herr Breshdi sind von der Allgemeinen Gewerkschaft der Beschäftigten im Ölsektor GUOE, einem Zusammenschluss von Betriebsgewerkschaften der staatlichen Energieunternehmen im Süden Iraks, mit über 23.000 Mitgliedern.

Die GUOE ist parteipolitisch und weltanschaulich neutral, wendet sich aber entschieden gegen die US-amerikanische Besatzung und die wirtschaftlichen Pläne Washingtons. So konnte in einer Reihe von staatlichen Unternehmen die Übernahme der Kontrolle durch US-amerikanische Firmen verhindert werden. In Arbeitskämpfen konnten sie zudem substantielle Verbesserungen der Löhne und der Arbeitsbedingungen durchsetzen. (siehe hierzu die Links auf der AKF-Homepage)

Opposition gegen Besatzung kein "Sicherheitsrisiko"

Die Gewerkschaft ist damit ohne Zweifel eine für die Besatzungsmacht sehr unbequeme Organisation, ihre Vertreter stellen aber sicherlich kein Sicherheitsrisiko für die BRD dar.

„Wir unterstützen alle Arten des ehrenhaften Kampfes im Irak“, so ihr Vorsitzender Hassan Juma'an Awad in einem Interview. „Wir möchten, dass die Besatzung sofort aufhört. Aber wir sind gegen alle Terrorakte gegen die irakische Zivilbevölkerung durch gewisse Terrororganisationen im Irak. Das unterstützen wir nicht. Dagegen sind wir eben so sehr wie gegen die Besatzung.“

Vermutlich stützen sich die deutschen Sicherheitsdienste auf Stellungnahmen wie im ersten Satz von Hassan Awad, um Mitglieder der GUOE zu unerwünschten Personen zu stempeln. Von deutscher Seite wurde von Beginn an der Widerstand gegen die Besatzung pauschal mit Terrorismus gleichgesetzt und damit die Fortsetzung der Besatzung legitimiert. Die eindeutige Verurteilung des Terrors durch alle oppositionellen Gruppen (wie z.B. in den nachfolgenden Sätzen Awads und deutlicher noch in anderen Stellungnahmen) wird einfach ignoriert.

Im Gegensatz zur Bundesregierung befinden sich die Öl-Gewerkschafter völlig im Einklang mit internationalem Recht. Die Besatzung ist das Ergebnis eines völkerrechtswidrigen Angriffkrieges und somit ebenfalls illegal. Daran kann auch die Billigung der Besatzungstruppen durch irakische Regierungen nichts ändern, die gebildet wurden, während diese Truppen die faktische Macht im Lande ausüben.
Die politische und militärische Unterstützung dieses Verbrechens durch die deutsche Regierung ist, so jüngst das Bundesverwaltungsgerichtes im Urteil im Fall des Major Pfaffs, selbst ein völkerrechtliches Delikt.

Widerstand gegen Besatzung und Fremdherrschaft dagegen, auch militärischer ( innerhalb der völkerrechtlichen Grenzen), ist selbstverständlich legitim. Ausgenommen davon sind – ebenso selbstverständlich – Anschläge auf die Zivilbevölkerung, Entführungen etc..

Auch wenn die Ölgewerkschafter sich hinter alle legitimen Formen des Widerstands stellen, so bleibt die GUOE selbstverständlich eine rein politische Organisation, die sich ausschließlich mit gewerkschaftlichen Mitteln für ihre Ziele einsetzt. Ihr Ziel ist, "eine neue Demokratie aufzubauen – eine, die die Interessen der irakischen Bevölkerung vertritt, nicht die der USA" (so Awad in oben erwähntem Interview).

Tatsächliche Gefahr gilt herrschendem Bild vom Irak

Das ist natürlich auch den Sicherheitsdiensten und dem Innenministerium bekannt.

Gefährlich für die Bundesregierung sind die Gewerkschafter daher aus ganz anderen, als den vorgegebenen Gründen: sie könnten einen erheblichen Beitrag dazu leisten, das Bild zu zerstören, mit dem hierzulande die Besatzungspolitik beschönigt und ihre Unterstützung aus Deutschland gerechtfertigt wird. Die Berichte der Iraker würden zeigen, wie verheerend die Lebensbedingungen nach 30 Monaten Besatzung sind, wie stark die Ablehnung der US-amerikanischen Präsenz ist, wie unsinnig die Einteilung der Iraker bezüglich politischer Fragen in Sunniten und Schiiten ist und vieles mehr.

Sie würden insbesondere zeigen, dass die Alternative im Irak keineswegs zwischen langandauernder Besatzung durch fremde Truppen auf der einen und der Gewalt des Terrors, Chaos und Bürgerkrieg auf der anderen Seite besteht, und dass es sehr wohl eine politische und zunehmend einheitliche Opposition gegen die Besatzung gibt, die Ansprechpartner für die Friedensbewegung im Westen sein kann.

Wir dürfen auf keinen Fall zulassen, dass in zunehmendem Maße Menschenrechte mittels nicht überprüfbaren Geheimdienstinformationen ausgehebelt und von der Öffentlichkeit als Rechtfertigung repressiver Maßnahmen akzeptiert werden.
Wir düfen nicht akzeptieren, dass Vertreter der irakischen Zivilgesellschaft, die für einen unabhängigen und demokratischen Irak kämpfen, hier nicht zu Wort kommen dürfen, während gleichzeitig die US-Armee ihre Basen auf deutschen Boden für Krieg und Besatzung nutzen können und mit General Ricardo Sanchez einer der Hauptverantwortlichen für die Folter in Abu Ghraib unbehelligt seiner mörderischen Arbeit in Heidelberg nachgehen darf.

Es werden daher alle Veranstaltungen stattfinden, bis Frau Abbood und Herr Breshdi eintreffen, mit anderen Irak-Experten als Referenten. Die bisherigen Veranstaltungen waren alle relativ gut besucht, überall gab es natürlich vehementen Protest gegen die Verweigerung der Visa.

In Heidelberg wird ersatzweise der exil-irakische Politologe Dr. Sabah Alnasseri sprechen.

Sabah ist Exiliraker und beschäftigt sich aktuell in seinen Studien mit dem politischen Geschehen im Irak. Sein persönliches Interesse gilt vor allem den neuen Basisorganisationen im Irak. Er kann uns daher sowohl etwas über die Gewerkschaftsbewegung und sonstige Bewegungen erzählen als auch über allgemeine Situation, insbesondere wie die neue Verfassung einzuschätzen ist.

siehe auch: 

Ausführliche Infos über die Visaverweigerung, die juristischen Schritte und Protestaktionen siehe auf der Sonderseite bei LaborNet für die Tour: http://www.labournet.de/internationales/iq/iraktour05.html