"Gerechter Friede statt gerechter Krieg!"

Rede von Pfr. Dr. Vincenzo Petracca auf der Friedensdemonstration am 5.April in Heidelberg

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

zunächst dachte ich, daß es sich um einen Aprilscherz handelte, als ich diese Woche die Zeitung las. Da stand, daß der amerikanische Kongreß und der Senat einen Tag des Gebets und des Fastens für den Frieden beschlossen hätten. Wie der Kongreß dabei Frieden versteht, wird in der Resolution deutlich, die er am 27. März verabschiedete, ich zitiere aus dem Text: ,Ein Tag des Fastens und des Gebets ist notwendig, um den Segen und den Schutz der göttlichen Vorsehung für das Volk der Vereinigten Staaten und für unsere Streitkräfte während des Konflikts im Irak... zu sichern’. Soweit der Kongreß. Er will uns glauben machen, er führe einen gerechten Krieg. Mehr noch, einen Krieg, der unter dem Segen Gottes stehe.

 Ist dieser Krieg tatsächlich gerecht? Richtig ist, daß Saddam Hussein sein Volk mit großer Brutalität unterdrückt. Richtig ist aber auch, daß es die USA waren, die Husseins Militärkraft aufgebaut haben. Richtig ist auch, daß aus der Bundesrepublik Giftgase in den Irak geliefert wurden. Was richtig und gerecht ist, scheint wechselhaft zu sein, wie das Aprilwetter. Lassen wir uns daher nichts vormachen: In diesem Krieg geht es nicht um Gerechtigkeit. Vielmehr geht es um strategische Interessen in der Golfregion. Es geht um den Ehrgeiz eines Mannes, der vollenden will, was sein Vater in seinen Augen versäumt hat: die Eroberung Bagdads.

Die Bischöfe der evangelischen und katholischen Landeskirchen Baden-Württembergs lehnen einmütig den Irak-Krieg ab. Ich zitiere aus der offiziellen Stellungnahme: ,Der Krieg ist ein grausames, von Menschen gemachtes Geschehen... Dieser Krieg ist eine Brüskierung der UNO und der völkerrechtlichen Vereinbarungen’. So die Bischöfe. Besonders wehren sie sich dagegen, daß die amerikanische Regierung diesen Krieg mit religiösem Sendungsbewußtsein rechtfertigt. Als Kirche sagen wir ,Nein’ zur religiösen Verbrämung des Krieges.

Wir sagen ,Nein’. Der Krieg ist nicht Gottes Wille. Gott darf nicht zum Kriegsgott entstellt werden. Wir sagen ,Nein’. Gott gibt seinen Segen weder den amerikanischen Truppen noch den irakischen Truppen. Wir sagen ,Nein’. Die Kirche stehen nicht auf der Seite derer, die Krieg führen, sondern auf der Seite derer, die für Frieden eintreten. Wir sagen ,Nein’. Gott ist nicht bei den Siegern zu finden, sondern bei den Opfer dieses Krieges, den irakischen genauso wie den amerikanischen und britischen Opfern. Wir sagen ,Nein’. Der Name Gottes darf nicht durch einen Gebets- und Fastentag mißbraucht und mit Blut beschmiert werden. Wir sagen ,Nein’.

Wir sagen ,nein’, aber wir sagen als Kirche auch ,Ja’.

Wir sagen ,Ja’. Wir begrüßen, daß in den letzten Monaten sich neben der USA eine neue Supermacht etabliert hat: die Macht der Weltöffentlichkeit, die auf die Straße geht. Wir sagen ,Ja’. Wir begrüßen eine geeinte Friedensbewegung. Wir sagen ,Ja’. Wir fordern, daß die UNO zu einem wirksamen Friedensinstrument fortentwickelt wird. Wir sagen ,Ja’. Wir werden den christlich-islamischen Dialog verstärkt vorantreiben. Wir sagen ,Ja’. Wir fordern einen staatlichen Ausbau der Friedensfachdienste. Wir sagen ,Ja’. Wir fordern, daß die Kriegsberichterstattung im Fernsehen durch profunde Informationssendungen ersetzt wird, die einführen in Methoden gewaltfreier Konfliktlösung, etwa in Form von Telekollegs. Dazu sagen wir ,Ja’. Wir fordern eine intensivere Entwicklung einer Kultur der Gewaltfreiheit in unserer Gesellschaft. Dazu sagen wir ,Ja’. Wir fordern einen gerechten Welthandel und verstärkte Entwicklungshilfe, denn dauerhafter Frieden ist nur durch weltweite Gerechtigkeit möglich. Wir sagen ,Ja’.

Ich sage ,Nein’ zur alten Lehre des gerechten Kriegs, und ich sage ,Ja’ zu einer neuen Lehre eines gerechten Friedens.

Die amerikanische Regierung führt derzeit eine Art Kreuzzug gegen die Achse des Bösen. Statt an eine der dunkelsten Seiten des Christentums, den Kreuzzügen, anzuknüpfen, sollte sie besser an die hellen Seiten anknüpfen. Ich möchte ein Beispiel nennen: Als 1219 christliche Kreuzfahrer versuchten Palästina zu erobern, reiste Franz von Assisi mit einem Kreuzfahrerheer nach Palästina. Er zog aber nicht als Kriegsprediger dorthin, sondern um den Sultan Melek-al-Kamil zu treffen. Er führte Religionsgespräche mit ihm. Mitten in Kriegszeiten fand der erste christlich-islamische Dialog statt. Ich sehe hier viele Fahnen, auf denen ,Pace’ steht. Franz von Assisi begrüßte den Sultan mit den Worten ,Pace e bene’, d.h. heißt übersetzt ,Frieden und Wohlergehen!’ Gerade heute, in dieser beschämenden Stunde, da christlich geprägte Länder unfaßbares Leid zwischen Eufrat und Tigris bringen, wünsche ich dem Irak Frieden und Wohlergehen. Dem Irak und allen Regionen der Erde, die von Gewalt und Krieg zerrissen werden. Pace e bene.