Demonstration "Schluß mit dem Krieg gegen den Irak" am 5.4.2003

Begrüßung

Joachim Guilliard

Seit mehr als zwei Wochen tobt nun der ungleiche Krieg im Irak. Vor zwei Wochen standen wir ebenfalls hier, unmittelbar nach dem Beginn des Überfalls. Immer noch sind wir voll Zorn darüber, dass das Regime der USA mit seinen Komplicen, sich über jegliches Recht und alle Werte einer zivilisierten Welt hinwegsetzte. Zur Wut kommt nun auch die Trauer über die hohe Zahl derer die durch die High-Techwaffen bereits zu Tode kamen oder verstümmelt wurden. Und die große Sorge, daß die Zahl der Opfer bald noch steigen wird, wenn sich der Belagerungsring auch um Bagdad und weitere Städte schließen wird und die Aggressoren den Widerstand des irakischen Militärs und der StadtbewohnerInenn durch Hungerblockaden und Dauerbombardement zu brechen versuchen.

Den bisherigen Opfern, den zivilen aber auch den militärischen, wollen wir heute mit einer Kranzniederlegung gedenken, niedergelegt vor dem Sitz von militärischen Hauptquartieren, die das Morden mit vorbereitet haben und aktuell mit organisieren.

Die Demonstration richtet sich natürlich in erster Linie gegen die kriegführenden Staaten , mit der eindeutigen Forderung, stopp Euren verbrecherischen Krieg auf und zieht eure Truppen ab.

Mehr Einfluß auf Bush und seine Krieger hat selbstverständlich die deutsche Regierung, daher richtet sich die Demonstration unmittelbar und mit Nachdruck auch an die Bundesregierung, als unsern naheliegenden Adressaten. Dies kommt auch im Aufruf zur Demonstration zum Ausdruck. (Verantwortung als Bürger Deutschlands, einer einflußreichen Macht.)

Natürlich erkennt die Antikriegsbewegung an, daß D. auf diplomatischer Ebene mit seinem Nein erheblich zum Widerstand im Vorfeld des Krieges beigetragen hat. Mit Merkel wären wir sonst wahrscheinlich Teil der Koalition der Willigen und Gedungenen.

Unabhängig davon kritisierten wir aber auch von Anfang an, daß Deutschland nicht alle Mittel ausschöpfte und sogar die Kriegsvorbereitung von deutschem Boden zuließ.

Auch nach Beginn des Überfalls wurde die unmittelbare Kriegsbeihilfe wie die Überflugrechte und das Recht ihre Basen hier für den Krieg zu nutzen– trotz eindeutiger Rechtslage – nicht widerrufen. Heidelberg bleibt so Teil der Etappe in diesem Krieg.

Wie Monitor berichtete liefert Deutschland auch weiterhin Rüstungsgüter an die USA - darunter entscheidende Komponenten wie optische Sensoren für die Steuerung der Geschosse und Nachtsichteinrichtungen. – Ein klarer Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz.

Auch wenn man Freunde kritisieren würde, wenn sie einen falschen Weg gehen, so der Sprecher SPD Rainer Arnold, so würde man ihnen keine Steine in den Weg legen => seltsame Logik: man stelle sich vor ein Geschäftspartner hätte vor ein paar missliebige Leute aus dem Weg zu schaffen, ich sage ihm zwar – ganz korrekt –, dass darfst Du nicht tun, erlaube ihm aber, wenn er es doch tut dazu durch meinen Garten zu gehen und gebe ihm auf seine Bitte noch etwas Munition.

Ohnehin hat man in Berlin nach Kriegsbeginn sehr schnell seinen Frieden mit dem Krieg gemacht. Statt auf UNO-Ebene die Bestrebung der Blockfreien Staaten, der arabischen Liga und zahlreichen NGOs zu unterstützen, über eine Sondersitzung der UN-Vollversammlung die Aggression eindeutig zu verurteilen richtete man sein Augenmerk auf den Wiederaufbau

Besonders empörend in diesem Zusammenhang ist, wenn Außenminister Fischer sich in Brüssel neben seinen kriegführenden Kollegen Straw vor die Kameras stellt und sich mit ihm zusammen einen baldigen Sieg der Kriegskoalition -- nach internationalem Recht die Aggressoren -- wünscht. Das sind verheerende Signale. Mit einer solchen versöhnlichen Haltung, die über das verbrecherische eines solchen Krieges mit einem leichten Bedauern über die "falsche Entscheidung" der USA hinweg geht, schädigt man Völkerrecht und UNO und ebnet der nächsten Aggression unweigerlich den Weg.

Vor diesem Hintergrund scheint es bei den deutsch-französische Bemühungen um eine stärkere Rolle der UNO im Nachkriegsirak mehr um die Aufteilung des Fell des Bären zu gehen - noch bevor dieser erlegt ist. Der Irak als souveräner Staat hat – trotz des geschlossenen Widerstand der irakischen Bevölkerung gegen die Invasion – hier schon aufgehört zu existieren.

Es müßte statt dessen klar gemacht werden, daß im Irak auch nach einem britisch-amerikanischen Sieg kein Regime anerkannt wird, daß sich auf die illegale Besatzungsmacht stützt und die UNO erst dann einen Teil der Verantwortung übernehmen wird, wenn die Invasionstruppen das Land wieder verlassen haben.

Arundhati Roy bemerkte zum Umstand, daß in Basra die anderthalb Millionen Menschen, trotz fehlenden Trinkwasser und Lebensmittel bisher nicht Aufgabe oder gar Aufstand bereit waren: Wenn das Regime Saddam Husseins fällt, könnte es durchaus sein, daß in den Straßen von Basra getanzt wird. Sollte das Regime Bushs fallen, würde freilich auf der ganzen Welt getanzt"

Ich muß bevor ich an den ersten heutigen Redner übergebe noch kurz auf die Auseinandersetzung eingehen, die es mit Vertretern von SPD und Grünen gegeben hat und die von diesen auch in sehr verzerrter Form in die Presse getragen wurden. Die Erklärung des Bündnis - breites Spektrum repräsentiert – fand hingegen wie so oft ihren Weg in die Zeitung nicht

Es geht um das Rederecht der Bundestagsabgeordneten, erneut war von Zensur und Redeverboten die Rede. Diese Formulierungen sind völliger Unsinn. Einen Anspruch, auf einer Demonstration zu reden, hat niemand. Eine Demonstration ist keine Diskussionsveranstaltung, sondern eine politisch Aktion, mit der die Menschen "von unten" ihren Protest zum Ausdruck bringen. Die VeranstalterInnen wählen dafür auch die RednerInnen aus und orientieren sich dabei an dem Ziel der Demonstration und ihren Forderungen. Selbstverständlich wird dabei versucht, im Konsens eine angemessene Repräsentation der verschiedenen beteiligten politischen Gruppierungen zu ermöglichen.

Die SPD und die Grünen haben zwar immer wieder zur Teilnahme an den Demonstrationen aufgerufen, sich aber nie organisatorisch an der Arbeit des veranstaltenden Bündnisses beteiligt oder sich hinter seine zentralen Forderungen gestellt. Dennoch wurde ihnen angeboten, eine/n Redner/in zu stellen. Ausgenommen davon sollten nur exponierte Mandatsträger, wie die beiden Bundestagsabgeordneten, sein.

Dies zum einen aus prinzipiellen Erwägungen, um parteipolitische Auseinandersetzungen zu vermeiden, zum anderen um nach außen klar die Regierungsunabhängigkeit zu signalisieren. Beide Abgeordneten haben zudem Entscheidungen der Bundesregierung mitgetragen, gegen die die Friedensbewegung demonstriert hat, insbesondere die zum Krieg gegen Jugoslawien.

Die Regierungsparteien würden auch gerne die Forderung nach einem Ende der deutschen Beteiligung aus den Demonstrationen raushalten. Diese Forderung wird aber von der überwiegenden Mehrheit der Kriegsgegenerinnen als logische Konsequenz aus der Völkerrechtswidrigkeit des Krieges gezogen.

Das einzige Argument das die Regierungsparteien ins Feld führen ist – s. auch den Aufruf der Grünen ...– daß das transatlantische Bündnis vor Schaden bewahrt werden müßte, d.h. das gute Verhältnis zu den kriegführenden Mächten

Völlig neue Prioritätensetzung für Recht und Gesetz: Das transatlantische Bündnis über Verfassung du internat. Recht.

Es mag zwar für einzelne noch verständlich sein, dass sich die Regierung aufgrund außenpolitischer Zwänge damit schwer tut, das moralisch und rechtlich Gebotene zu tun. Wir bedauern aber, dass die Parteibasis in Heidelberg dafür pflichtschuldig Rückendeckung gibt.

Es wäre ja durchaus denkbar, dass Regierungen außenpolitisch heikle Entscheidungen einfach mit dem überwältigenden Druck der Mehrheit im Lande begründen würden. Im Gegensatz zur heutzutage öfters gelobten "Führungsstärke" wäre dies schlicht und einfach demokratisch.

Noch einmal Arundhati Roy mit ihrem Blick einer "Eingeboren", wie sie ihren Artikel nannte, aus dem Süden:

Der Irak - Überfallen, bombardiert, belagert, genötigt, gedemütigt, die krebskranken Kinder chancenlos, die Menschen auf der Straße zerfetzt. Und wir schauen zu, bis spät in die Nacht. Wir ertragen das Grauen des Krieges, das Grauen der Propaganda und den Mord an einer Sprache, die wir kennen und verstehen. Freiheit heißt jetzt Massenmord. Wenn jemand "humanitäre Hilfe" sagt, halten wir automatisch Ausschau nach herbeigeführtem Hunger.

[[Fast überall auf der Welt wird der Irak-Krieg als rassistischer Konflikt angesehen. Die wahre Gefahr eines rassistischen Krieges, der von rassistischen Regimes entfesselt wird, besteht darin, daß er alle zu Rassisten macht - Täter, Opfer, Zuschauer. Dieser Rassismus prägt die Debatte, er legt das Fundament für eine bestimmte Sichtweise.]]

Während die Alliierten in der Wüste auf einen Aufstand der Schiiten in Basra warten, findet der wahre Aufstand in Hunderten von Städten auf der ganzen Welt statt.

 

Wir, die wir uns hier auf dem Bismarckplatz versammelt haben, sind also in guter Gesellschaft. Deshalb grüßen wir an dieser Stelle auch die "anderen" Vereinigten Staaten von Amerika, und erklären uns mit der Friedensbewegung in den USA, in Großbritannien und in Madrid solidarisch.

 

Am Dienstag, 8.4., 19.30 Uhr referiert Katja Maurer von medico international zum Thema: "Kriegsgebiet Nord-Irak. Die kurdische Region im Kreuzfeuer der Interessen."
Ort: Volkshochschule Heidelberg