Stoppt den Angriff auf den Irak!

Deutsche Beihilfe zum Krieg beenden!

Joachim Guilliard, Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg

Rede auf der Demonstration am 22.3.2002 vor dem US-Hauptquartier

Die USA und GB haben den Bombenkrieg wie von Rumsfeld angekündigt eskaliert: "Schock und Entsetzen" wollen sie verbreiten mit einem Bombardement, wie es die Welt noch nicht gesehen hat. Krieg kann man dies kaum nennen. Die Aggression gleicht vielmehr den Überfällen von Kolonialarmeen, die mit Kanonen und Schnellfeuergewehren Dörfer überfielen, denen nur Pfeile und Spieße für die Verteidigung zur Verfügung standen. Das muß nicht bedeuten, dass die Aggressoren einen leichten Sieg erringen werden, sicher ist nur dass über den Angegriffenen wieder einmal die Hölle ausgebrochen ist.

Ich habe mich lange genug mit dem Thema Irak, mit Krieg und Embargo befasst, um mit großer Bestürzung die Folgen zu erahnen. Hunderte bis Tausende Menschen – Zivilisten und hilflose Soldaten – wurden 1991 täglich Opfer des Bombardements. Der Krieg trifft eine durch Krieg und 12 jähriges Embargo stark geschwächte Bevölkerung. Weit mehr als durch Bomben ist sie durch Hunger bedroht, wenn nun die Organisation der zentralen Lebensmittelverteilung unter den Bomben zusammenbricht und durch Epidemien, wenn die Trinkwasserversorgung zerstört wird.

Empört bin ich in dieser Situation von der Haltung der Regierung, die mit einem letzten Bedauern darüber, dass die USA – so Bundeskanzler Schröder – die falsche Entscheidung getroffen habe, zur nächsten Tagesordnung übergeht. Jetzt gehe es darum, so auch Militärminister Struck, auf ein schnelles Ende – d.h. also einen US-amerikanischen Sieg – zu hoffen und dann gemeinsam das Land wieder aufzubauen.

Die materiellen Schäden können natürlich z.T.– und das sogar für die beteiligten westlichen Konzerne gewinnbringend – in ein paar Jahren behoben werden. Das zerstörte Leben oder die Gesundheit Zehn-, wenn nicht Hunderttausender aber nicht. Eine neue Generation von Kindern wird wieder nicht nur körperlich geschwächt, sondern auf Dauer vom Krieg traumatisiert heranwachsen.

Und wir können auch davon ausgehen, dass die geplante Nachkriegsordnung ein gewaltiger Rückschlag für die irakische Bevölkerung sein wird. Demokratie wird durch die Bomben nicht entstehen, es werden nur die Machthaber wechseln, die sich ebenfalls nur mit Gewalt, mit Repression an der Macht halten werden. Der Reichtum aus dem Öl wird aber nicht mehr, wie seit der Nationalisierung 1972 dem Land selbst zufließen, wo er – trotz Diktatur – bis 1990 vielfältige soziale Errungenschaften, wie freie Bildung und freie Gesundheitsversorgung hervorbrachte. Der Reichtum wird wieder – ganz im Zeichen der sog. "Globalisierung", wie die in der Welt herrschende Raubtierordnung verniedlichend genannt wird – in die Taschen britischer und US-amerikanischer Konzerne wandern.

Hier geht es nicht um eine falsche Entscheidung, hier geht es auch um mehr, als um einen Völkerrechtsbruch. Es geht um ein Verbrechen, es geht um das Verbrechen der Aggression, gemäß den Prinzipien des Nürnberger Tribunals, das Größte aller Menschheitsverbrechen, das sich, so wörtlich, von allen anderen Kriegsverbrechen allein dadurch unterscheidet, dass es in sich das angesammelte Übel aller anderen beinhaltet.

Könnte man also vom Kanzler und seinen Minister nicht klare Worte der Verurteilung erwarten, die den Krieg als völkerrechtswidrige Aggression verurteilen.

Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Russlands bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats am Mittwoch sich noch einmal deutlich gegen den drohenden Angriff ausgesprochen und Außenminister Fischer hat bekräftigt, dass die UN-Charta keine Rechtsgrundlage für einen gewaltsamen Regimewechsel von außen bietet.

Das ist aber zu wenig. Nötig wäre gewesen, eine Resolution einzubringen, die die Aggression verurteilt und - trotz Veto der Aggressoren –deutlicht macht, dass dieser Völkerrechtsbruch diesmal nicht, wie beim Afghanistankrieg von den anderen Mitglieder des höchsten UN-Organs stillschweigend hingenommen wird. Nur durch einen förmlichen Einspruch kann auch der Schaden für Völkerrecht und UNO in Grenzen gehalten werden.

Schwerer wiegt aber die unmittelbare Unterstützung des Krieges durch Deutschland. Eine Unterstützung, die man ganz offensichtlich durch eine klare Verurteilung nicht in Frage stellen möchte.

Trotz ihrer verbalen und diplomatischen Ablehnung trägt daher auch die Bundesregierung Verantwortung für diesen Krieg. Sie haben Kriegsvorbereitungen von Deutschland aus geduldet und leisten indirekt militärische Unterstützung durch Übernahme von Aufgaben US-amerikanischer Einheiten, die an den Golf verlegt wurden. Deutsche AWACS-Besatzungen und die ABC-Spürpanzer der Bundeswehr sind nun unmittelbar am Krieg beteiligt. Gestern sind B52-Bomber von England aus gestartet um ihre tödliche Fracht über Bagdad abzuwerfen – mit großer Wahrscheinlichkeit nahmen sie ihren Weg durch den deutschen Nachthimmel.

Neben dem Protest gegen die US-Regierung, wird es daher in Deutschland verstärkt darum gehen Druck auf die Bundesregierung auszuüben, damit sie unverzüglich jede Kriegsunterstützung einstellt.

Das ist nicht nur politisch und moralisch geboten: Die deutsche Verfassung lässt hier den politischen Verantwortlichen – wenn sie noch ein wenig ernst genommen wird – überhaupt keinen Handlungsspielraum. Durch die Sperrung des Luftraums kann auch jetzt noch die Kriegmaschinerie entscheidend gestört werden. Mit einer weiteren Duldung leistet die deutsche Regierung aktive Beihilfe zum Krieg und ist mitverantwortlich für die zu befürchtende hohe Zahl von Opfer unter der irakischen Bevölkerung.

Um den Preis der Komplizenschaft in einem verbrecherischen Krieg hält die Regierung am militärischen Bündnis mit der Supermacht fest. Ein Bündnis in dessen Rahmen Deutschland Krieg gegen Jugoslawien führte. Ein Bündnis auf dessen Hilfe Militär und Regierung beim Vorantreiben ihrer Pläne zur militärischen Sicherung und Durchsetzung weltweiter deutscher Interessen, wie sie u.a. in den Verteidigungspolitischen Richtlinien skizziert wurden, nicht verzichten möchten. Auch diesen Bestrebungen müssen wir eine klare Absage erteilen, wir wollen keine "Landesverteidigung am Hindukusch". Es ist an der Zeit noch viel gründlicher abzurüsten, die neu geschaffenen Interventionsstreitkräfte wieder aufzulösen und sich aus den Militärbündnissen zurückzuziehen. Auch die Militarisierung auf europäischer Ebene ist zu stoppen, die Europäische Union darf keine Militärmacht werden.

Wir begrüßen herzlich die Mitglieder von SPD und Grünen, die heute wieder uns demonstrieren. Wir freuen uns auch dass die Bundestags- und Landtagsabgeordneten aus den Reihen der Regierungsparteien heute unter uns.

Die beiden Bundestagsabgeordneten Lothar Binding und Fritz Kuhn hätten heute auch gerne gesprochen. Es ist aber seit langem, und verstärkt noch seit dem Jugoslawienkrieg, guter Brauch der Friedensbewegung keine Parteienvertreter, zumindest keine hochrangigen Mandatsträger als Redner zuzulassen.

Und für Abgeordnete der Regierungsparteien gilt auch, dass sie in Berlin viel mehr tun könnten als hier – nämlich über ihre Fraktionen und die von ihnen gestellte Regierung dafür zu sorgen, dass von deutschem Boden kein Krieg mehr ausgeht.

Wir danken auch der OB Beate Weber für ihre deutlichen Worte des Protestes gegen die Aggression. Wir fordern aber auch sie als Verantwortliche für die Stadt Heidelberg auf, dafür Sorge zu tragen, dass alle Tätigkeiten der US-amerikanischen Streitkräfte im Heidelberger Stadtgebiet, die gegen deutsches und internationales Recht verstoßen, endlich eingestellt werden und, falls nötig, auch gerichtlich dagegen vorzugehen.

Wir werden diesem Anliegen durch weitere Demonstrationen und gewaltfreie Blockaden vor den US-amerikanischen Einrichtungen Nachdruck verleihen.