Rede von Dekan Dr. Steffen Bauer am 1. März 2003 auf der Demonstration vor dem Hauptquartier des 5. US-Korps in Heidelberg

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!

Zurecht ist den christlichen Kirche gerade in unserem Lande immer wieder der Vorwurf gemacht worden, in ihrer Geschichte zu oft geschwiegen oder gar für die falsche Seite Stellung bezogen zu haben. Das ist so gewesen, und daraus haben wir als Kirche auch zu lernen. Deshalb rufen wir auch überall mit dazu auf, sich an Demonstrationen gegen den drohenden Irak-Krieg zu beteiligen, und unsere Botschaft dabei besteht aus 3 Punkten:

1.) Wir werden es niemandem erlauben, diesem Krieg einen quasi religiösen Anstrich zu geben. Dieser Krieg ist genauso wenig Gott gewollt wie jeder andere auch, und deshalb kann unsere Botschaft nur lauten: Wer in diesen Krieg zieht, der darf ihn niemals auch damit begründen, dass dies Gottes Wille sei. Wenn es denn zum Krieg kommt, dann resultiert er nicht aus Gottes Willen, sondern einer völlig verfehlten Politik der vergangenen Jahre, die u.a. auch mit dem Namen des Vaters des heutigen Präsidenten der Vereinigten Staaten zu tun hat.

2.) Gerade ein Blick zurück lehrt uns da aber auch erst recht das Fürchten. Kuwait wurde befreit – von Saddam Hussein und seinem Regime, aber frei sind die Menschen nach unseren Maßstäben gerechnet auch in Kuwait nicht. Im Irak selber sind in den letzten Jahren viele tausend Menschen gestorben. Irak ist durch das dortige Regime und das Embargo weithin auf die Stufe eines Entwicklungslandes herabgesunken. Und die Welt hat zugeschaut und größtenteils geschwiegen. Wir dürfen uns da nichts vormachen: Da ist ein durchtriebenes Regime im Irak am Werk, das Menschen missbraucht und benutzt. Aber mir geht es bei der Frage nach der Zukunft des Nahen und Mittleren Osten viel zu wenig um eben diese Menschen und viel zu sehr ums Öl, ums Geschäft, um Gewinne. Es ist doch offenkundig nicht so, dass der Irak heute noch militärisch ernsthaft bedrohlich wäre. Vom Bedrohungspotential her gesehen sind andere Despoten dieser Welt, ich denke an Nordkorea, doch viel dreister und unverschämter. Nein, wie wir den Menschen im Irak helfen können, dass ist die entscheidende Frage, und für mich ist ganz klar: Gerade den Menschen helfen wir am allerwenigsten dadurch, dass wie 1991 erneut die Wasserversorgung, die Stromversorgung, das Wegenetz zerbombt wird, so es denn im Moment überhaupt funktioniert. Anstatt eine humanitäre Katastrophe noch zu verstärken, sollten wir unser Augenmerk darauf richten, wie diesen Menschen humanitär zu helfen ist.

3.) In einer gemeinsamen Erklärung von vielen christlichen Kirchen aus Europa, den USA und dem Nahen Osten wurde am 5. Februar in Berlin vor allem eines betont, ich zitiere:„Als Verantwortliche aus Kirchen in Europa haben wir eine moralische Verpflichtung, Fremdenhass in unseren Ländern entgegenzutreten und den Menschen in der muslimischen Welt die Furcht zu nehmen, die sogenannte westliche Christenheit stelle sich gegen ihre Kultur, Religion und Werte.“

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Terroranschläge vom 11. September waren unvorstellbar grausam, aber sie rechtfertigen mitnichten, dass der Kreuzzugsgedanke wieder zu beleben sei. Es ist ein großer Unterschied und muss es bleiben: Wir suchen die Täter für diese Terrorverbrechen, ja, aber aus unserer Geschichte heraus müssen wir sagen: Lasst den Kreuzzuggedanken in der Mottenkiste der Geschichte, dort gehört er hin! Wir werden den Terror in der Welt nicht dadurch besiegen, indem wir durch Kriege noch mehr Hass in dieser Welt hervorbringen. Und weil dem so ist, bleibt es dabei: Sorgt dafür, dass der Irak seine Raketen und seinen sonstigen Waffenschritt vernichtet, aber lasst eure Finger vom Abzug! Wer heute in dieser Welt noch Krieg spielen will, der soll, wenn es denn unbedingt sein muss, sich beim Kaufhof ein Computerspiel kaufen. Aber unsere Welt und die Menschen darauf sind zu kostbar, als das wir ihn real erleben wollen.

Quelle: Homepage der Evangelische Kirche Heidelberg http://www.ekihd.de
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