Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg
– für eine solidarische Welt

– Plattform –


  1. Das "Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg" versteht sich als Teil einer weltweiten Bewegung gegen Krieg und alle Varianten des Militarismus. Basis ist die vollständige Ächtung von Krieg als Mittel der Politik.
  2. Als Bürger und Bürgerinnen, Bewohner und Bewohnerinnen des Staates Bundesrepublik Deutschland betrachten wir es als unsere spezifische Aufgabe und unseren Beitrag für eine weltweite Friedenspolitik, militaristische Politik des deutschen Staates in jedweder Form aktiv zu bekämpfen.
  3. Mit dem Angriffskrieg der NATO gegen Jugoslawien hat sich Deutschland erstmals nach dem 2. Weltkrieg wieder unmittelbar an einem Krieg beteiligt. Dieser Krieg stellt aber nicht nur das Ende einer 50-jährigen durch die Weltlage aufgezwungenen militärischen Abstinenz dar, sondern auch den Beginn einer Epoche, in der der weltweite militärische Einsatz von deutschen Interventionstruppen zu Normalität deutscher Außenpolitik zu werden droht. Dies stellt die Friedensbewegung vor qualitativ neue Aufgaben.
  4. Wir wenden uns gegen jede "Lösung" zwischen- und innerstaatlicher Konflikte durch Gewaltanwendung von Seiten der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Verbündeten gegen fremde Staaten oder Bevölkerungsgruppen. Wir stimmen hierin überein mit den Prinzipien des Völkerrechts und der Charta der Vereinten Nationen, die bewaffnete Einsätze gegen andere Staaten außer zu Selbstverteidigung verbietet.
  5. Wir kritisieren nicht nur die unmittelbare militärische Gewalt, sondern wenden uns gegen jede völkerrechtswidrige Einmischung in die inneren Angelegenheiten und jede Verletzung staatlicher Souveränität eines anderen Staates, wie z.B. Maßnahmen zur politischen und wirtschaftlichen Destabilisierung oder das Schüren ethnischer und religiöser Konflikte. Wir wenden uns insbesondere auch gegen alle Maßnahmen, die, wie beispielsweise Wirtschaftsblockaden, das Leben und Gesundheit und andere grundlegende Rechte der Betroffenen gefährden.
  6. Wir sehen mit Besorgnis, daß Deutschland nach der Eingliederung der ehemaligen DDR verstärkt an altes Großmachtstreben anknüpft.
    Wir fordern daher von der Bundesregierung, ihren bedeutenden außenpolitischen Einfluß ausschließlich im Geist und Buchstaben der UN-Charta auszuüben.
    Eine Teilnahme der Bundesrepublik Deutschland an bewaffneten Einsätzen unter UN-Kommando lehnen wir ausnahmslos ab, unabhängig von der sonstigen politischen Bewertung möglicher bewaffneter UN-Friedensmissionen.
    Mächtige Staaten sind hierfür kaum geeignet, da sie aufgrund ihrer weltweiten Interessen i.A. nicht ausreichend neutral sind und die Gefahr besteht, daß sie eine solche Mission in ihrem Interesse beeinflussen oder gar mißbrauchen. Unabhängig davon hat Deutschland aber wegen seiner historischen Schuld an zwei verheerenden Weltkriegen die Legitimation zu bewaffneten Einsätzen auch unter UN-Mandat auf absehbare Zeit verloren.
    Wir wenden uns auch dagegen, daß die wiedergewonnene Souveränität des deutschen Staates mit dem Recht auf militärische Invervention verbunden sein soll.
  7. Ferner stehen wir dem Konzept der "Friedenserzwingung" durch bewaffnete Einsätze auch unter UN-Mandat prinzipiell sehr kritisch gegenüber. Zum einen sind gewaltsame Interventionen im allgemeinen kaum zur dauerhaften und gerechten Lösung von Konflikten geeignet. Zum anderen besteht aufgrund der heute gegebenen Machtverhältnisse innerhalb der UNO praktisch immer die Gefahr, daß die westlichen Staaten - insbesondere auch die BRD - die Ausnahmebestimmungen für die Anwendung von Gewalt in Kapitel VII der UN-Charta mißbrauchen, indem sie mittels politischen und ökonomischen Drucks eigennützige, rein wirtschaftlich und machtpolitisch motivierte Militärinterventionen durchsetzen, die nicht das geringste mit Friedenspolitik zu tun haben.
  8. Da eine äußere Bedrohung auf absehbare Zeit nicht zu erkennen ist, treten wir für einen massiven Truppenabbau und eine umfassende Abrüstung der Bundeswehr ein. Insbesondere setzen wir uns für eine Abschaffung der Truppenteile und Waffensysteme ein, die eine Bedrohung anderer Länder darstellen können, sowie für den Austritt der Bundesrepublik Deutschland aus allen militärischen Bündnissen, die nicht ausschließlich der Landesverteidigung dienen.
  9. Da eine militarisierte Außenpolitik eine entsprechende Politik nach innen erfordert, sehen wir unsere Aufgabe auch in der Aufklärung der deutschen Öffentlichkeit über die deutsche Geschichte und über die auch nach der Niederschlagung des Hitlerfaschismus fortwirkenden militaristischen und kriegerischen Kräfte und Tendenzen in der Bundesrepublik. Eine unserer wichtigsten Aufgaben in diesem Zusammenhang ist der Kampf gegen alle Formen von Rassismus und Gewalt gegen Minderheiten in unserem Land.
  10. Das Forum betrachtet es ausdrücklich nicht als seine Aufgabe, politisch in regionale, insbesondere fremde innerstaatliche Konflikte in der Welt einzugreifen oder die Bundesrepublik zum Eingreifen zu bewegen. Das Forum vertritt vielmehr die Auffassung, daß regionale Konflikte nicht von deutscher Seite oder der westlichen Staatengemeinschaft gelöst werden sollen und nicht wirklich gelöst werden können. Das Forum macht sich die Erfahrung zu eigen, daß solch ein Eingreifen leicht als Vorwand und Rechtfertigung für weltweite machtpolitische Interventionen genutzt werden kann.
  11. Wir sind darüber hinaus überzeugt, daß die ungerechte Verteilung des Reichtums zwischen Nord und Süd und Wirtschaftsstrukturen, die in den meisten Ländern einen großen Teil der Bevölkerung vom Zugang zum Lebensnotwendigen ausschließen, hauptverantwortlich für viele zwischen- und innerstaatliche Konflikte sind. Deutschland könnte hier wesentlich zum Abbau dieses Ungleichgewichtes beitragen.
  12. Das Forum ist weltanschaulich nicht festgelegt. Es ist daher offen für alle, die die oben skizzierten Ziele teilen. Dabei wird es eine der Aufgaben des Forums sein, in weltanschaulicher Offenheit jeden Krieg auf seine Ursachen und Ziele hin kritisch zu untersuchen sowie die den Krieg rechtfertigende und begleitende Propaganda zu analysieren und zu bekämpfen. Dazu gehört auch die sorgfältige Analyse der sozialen und ökonomischen Auswirkungen von Krieg und Kriegsvorbereitungen: Wie wirken Krieg und kriegerische Politik auf die Beziehungen zwischen Staaten und Nationen, insbesondere aber das Verhältnis zwischen reichen und armen Ländern? Wie wirken sie auf die sozialen Strukturen innerhalb unseres Landes? Wir sehen unsere Aufgabe darin, die schädlichen Auswirkungen von Krieg und Militarismus auf alle, die nicht direkt vom Krieg profitieren, aufzuzeigen und anzuprangern, sowie über alle damit zusammenhängenden Fragen die kritische öffentliche Debatte anzuregen und ihr ein Forum zu bieten.
  13. Beide Weltkriege gingen wesentlich oder vollständig von deutschem Boden aus. Auch an dem Krieg gegen Jugoslawien, der das Jahrhundert beendete, war Deutschland maßgeblich beteiligt. Daraus erwächst für die fortschrittlichen Kräfte in Deutschland eine enorme Verantwortung.
  14. Das "Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg" möchte daher ein Forum sein, das die friedenspolitischen Aktivitäten seiner Mitglieder koordiniert und bündelt, sowie in gemeinsamer Diskussion Ideen entwickeln und gemeinsame Aktivitäten durchführen kann.
  15. Im Bewußtsein, daß Krieg die schlimmste soziale, gesundheitliche, ökologische, entwicklungspolitische etc. Katastrophe darstellt, wird das Forum nicht nur von Friedensgruppen getragen, sondern auch von Gruppen, Organisationen und Einzelpersonen, deren Arbeitsschwerpunkte sich auf andere gesellschaftliche Bereiche beziehen

Heidelberg, 12. Juli 2001